InterviewFinanzierungskonditionen verlassen haben,sehen sich plötzlich mit restriktiverenBanken und anspruchsvolleren Investorenkonfrontiert. Refinanzierungenwerden schwieriger, alternative Finanzierungsquellenwie Private Equity oderMezzanine-Kapital sind nur für Unternehmenmit klarer Zukunftsperspektivezugänglich. Parallel dazu verändert dertechnologische Fortschritt Geschäftsmodellein rasantem Tempo. Digitalisierung,Automatisierung und Künstliche Intelligenzführen dazu, dass traditionelle Prozessean Effizienz verlieren. Unternehmen,die hier nicht rechtzeitig investierenoder sich zu stark auf alte Erfolgsmodelleverlassen, riskieren Marktanteilsverlusteund sinkende Margen.RestrukturierungEndstation oderWendepunkt?Warum Unternehmen jetzt handeln müssenVolatile Marktbedingungen,disruptive Technologienund eine immer geringerwerdende Anzahl an Fachkräften– die deutsche Wirtschaftbefindet sich spürbar im Umbruch.Experten schätzten bereits im Jahr 2024,dass 90 Prozent der Unternehmen in dennächsten zwölf Monaten Restrukturierungsmaßnahmenergreifen würden.Doch kommt eine Restrukturierungeinem Scheitern gleich oder steckt in jederKrise auch eine Chance? Das weiß derRestrukturierungs- und SanierungsexperteTobias Bobka aus langjähriger Erfahrungals Interim Manager und Beratervieler Unternehmer. Warum es jetzt aufden richtigen Umgang mit der Transformationankommt und welche FehlerUnternehmen tunlichst vermeiden sollten,hat er uns exklusiv im Interview verraten.Herr Bobka, Deutschland steht eineVielzahl an Restrukturierungen bevor –so sehen es zumindest die Experten desDeloitte-Restructuring-Reports. Wieblicken Sie auf die aktuelle Entwicklungund welche Ursachen gibt es dafür?Die Restrukturierungswelle, die wir derzeiterleben, ist keine kurzfristige Erscheinung,sondern Ausdruck tiefgreifenderstruktureller Veränderungen in unsererWirtschaft. Während frühere Restrukturierungsphasenhäufig von konjunkturellenSchwankungen geprägt waren, habenwir es heute mit einer Vielzahl an gleichzeitigenTransformationsprozessen zutun, die Unternehmen zum Handelnzwingen. Ein wesentlicher Treiber ist dieveränderte Kapitalmarktlandschaft. DieZeit der niedrigen Zinsen und der leichtenKreditvergabe ist vorbei. Unternehmen,die sich über Jahre auf günstigeEin weiterer entscheidender Faktor ist derregulatorische Druck; insbesondere im BereichESG. Nachhaltigkeitsanforderungensind längst nicht mehr nur ein Thema fürbörsennotierte Unternehmen, sondern betreffenauch den Mittelstand. Unternehmen,die ESG-Kriterien nicht ernst nehmen, sehensich nicht nur mit strengeren Vorschriftenkonfrontiert, sondern auch mit Wettbewerbsnachteilenbei Investoren, Kundenund Finanzpartnern. Diese Entwicklungenzeigen, dass Restrukturierung nicht mehrnur als Sanierungsmaßnahme in der Kriseverstanden werden darf. Vielmehr geht esdarum, Unternehmen frühzeitig an veränderteMarktbedingungen anzupassen undstrategisch für die Zukunft aufzustellen. Restrukturierungist deshalb nicht mehr nurein Instrument zur Krisenbewältigung,sondern ein proaktives Steuerungswerkzeug,um Unternehmen strategisch auf diekommenden Jahre auszurichten.Gibt es bestimmte Branchen, die derzeitbesonders oft Restrukturierungsmaßnahmenergreifen? Woran liegt das?In der aktuellen wirtschaftlichen Lagegibt es keine Branche, die sich zurücklehnenkann. Doch einige Sektoren stehenbesonders unter Druck und müssen sichschneller als andere neu erfinden, umwettbewerbsfähig zu bleiben.Die Automobilindustrie, insbesonderedie Zulieferer, erlebt gerade eine der tiefgreifendstenUmwälzungen ihrer Geschichte.Die Umstellung von Verbrennungsmotorenauf Elektromobilität hatnicht nur Auswirkungen auf die Endprodukte,sondern verändert kompletteWertschöpfungsketten. Viele traditionelleZulieferer geraten ins Straucheln,weil sie zu lange an tradierten Geschäftsmodellenfestgehalten haben. Wer jetztnicht massiv in neue Technologien, innovativeFertigungsmethoden und alternativeAntriebskonzepte investiert, wird inwenigen Jahren nicht mehr existieren.4 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 34 . ERFOLG magazin
InterviewBild: Johannes MegerDer Maschinen- und Anlagenbau stehtebenfalls unter erheblichem Restrukturierungsdruck.Steigende Energiekosten,unterbrochene Lieferketten und eine zunehmendeKonkurrenz aus Asien setzendeutsche Unternehmen unter Zugzwang.Gleichzeitig zwingt der technologischeWandel durch Automatisierung undKünstliche Intelligenz viele Unternehmendazu, ihre Produktion neu zu denken.Wer jetzt nicht in smarte Fertigungstechnologieninvestiert, verliertlangfristig seine Wettbewerbsfähigkeit.Auch der Einzelhandel ist ein Paradebeispielfür eine Branche, die sich gerade inRekordzeit neu erfinden muss. Das Kaufverhaltender Kunden hat sich radikalverändert. Wer zu lange auf stationäreGeschäftsmodelle gesetzt hat und den E-Commerce vernachlässigt, kämpft mitsinkenden Margen und einem drastischenUmsatzrückgang. Hier geht esnicht mehr nur um Restrukturierung imklassischen Sinne, sondern um eine vollständigeNeudefinition der Kundenbeziehungund der Vertriebskanäle. Wasalle diese Branchen gemeinsam haben:Es geht nicht mehr nur um Sanierung –es geht um Zukunftssicherung.Welche Signale deuten darauf hin,dass ein Unternehmen eine Restrukturierungbenötigt?Die Notwendigkeit einer Restrukturierungzeigt sich meist durch eine Kombinationaus finanziellen, operativen undstrategischen Frühwarnsignalen. Auf finanziellerEbene sind es rückläufige Margen,steigende Verschuldung oder einesinkende Liquiditätsquote, die auf einestrukturelle Schieflage hinweisen. VieleUnternehmen übersehen jedoch die weichenSignale, die oft noch bedeutsamersind. Ein Beispiel: Wenn Leistungsträgerund die besten Talente das Unternehmenverlassen, ist das ein deutliches Indiz dafür,dass etwas nicht stimmt. Besonderskritisch wird es, wenn strategische Projekte– etwa Investitionen in Digitalisierungoder neue Märkte – wiederholt verschobenwerden. Das zeigt, dass dasUnternehmen zunehmend in den Überlebensmoduswechselt. Auch eine steigendeUnzufriedenheit bei Kunden oderLieferanten kann auf tiefere Problemehindeuten. Und gerade wenn WettbewerberMarktanteile gewinnen, während daseigene Unternehmen stagniert, sollte diesals Warnsignal verstanden werden.Eine häufige Falle ist zudem das »SurvivorshipBias«: Führungskräfte konzentrierensich oft nur auf positive Entwicklungenund ignorieren Frühwarnsignale.Die Folge ist, dass Restrukturierungenhäufig erst eingeleitet werden, wenn diefinanziellen Spielräume bereits stark»Es geht nicht mehr nur um Sanierung– es geht um Zukunftssicherung.«Tobias Bobkaeingeschränkt sind. Der wichtigste Leitsatzaus der Praxis lautet also: Ehrlichmiteinander sein, auch wenn’s weh tut.Wer frühzeitig handelt, hat länger wasvom eigenen Unternehmen.Wie können Unternehmer vorgehen,wenn ein Unternehmen in die Krise geratenist? Wann ist der richtige Zeitpunkt,einen Restrukturierungsexpertenhinzuzuziehen?Wenn ein Unternehmen in eine Krise gerät,ist es entscheidend, schnell, strukturiertund entschlossen zu handeln. Dererste Schritt ist eine ehrliche Bestandsaufnahme,die nicht nur finanzielle Kennzahlenbetrachtet, sondern auch operativeSchwachstellen und strategische Defiziteaufdeckt. Ein häufiger Fehler ist es, ausschließlichauf kurzfristige Liquidität zuschauen, anstatt sich mit den Ursachender Krise auseinanderzusetzen. Deshalbmuss eine fundierte Analyse erfolgen: Wogenau liegen die Engpässe? Welche Geschäftsbereichesind noch wettbewerbsfähig,welche nicht? Gibt es strukturelleProbleme in der Organisation, die dringendangegangen werden müssen? AufBasis dieser Analyse wird ein Maßnahmenplanentwickelt, der zwei klare Zieleverfolgt: Erstens die kurzfristige Stabilisierung,um Liquidität zu sichern, Lieferkettenaufrechtzuerhalten und operative Effizienzzu verbessern. Zweitens dielangfristige Transformation, die dasUnternehmen auf eine zukunftsfähige Basisstellt. Dabei geht es nicht nur um Kostensenkungen– die oft als Erstmaßnahmegewählt werden, aber selten die eigentlichenProbleme lösen. Viel wichtiger ist es,Geschäftsmodelle kritisch zu hinterfragen,Marktpositionen zu überdenken und Innovationspotenzialezu nutzen.Der größte Fehler, den viele Unternehmenmachen, ist, zu lange zu warten. Restrukturierungsollte nicht als Notfallmaßnahmeverstanden werden, sondern als strategischeDisziplin. Wer erst handelt, wennBanken Kredite verweigern oder Lieferantenihre Zahlungsbedingungen verschärfen,hat oft nur noch eingeschränkte Möglichkeiten.Vielmehr sollte bereits bei denersten Anzeichen struktureller Problemegehandelt werden – wenn sich Margen verschlechtern,sich Finanzierungsbedingungenändern oder Kunden- und Lieferantenbeziehungenins Wanken geraten.Der richtige Zeitpunkt, einen Restrukturierungsexpertenhinzuzuziehen, ist nichterst, wenn die Krise voll ausgebrochen ist,sondern wenn erste Anzeichen strukturellerProbleme sichtbar werden. Grundsätzlichgilt: je früher, desto besser! Dennder interimistische Lotse findet sich permanentin neue komplexe wie herausforderndeSituation ein, hat unzählige Umbruchsituationenals Firefighter durchlebtund gemeistert. Und kann auf einen profundenErfahrungsschatz zurückgreifen.Im Ergebnis sieht er deshalb auch Wirkungszusammenhänge,den konkretenHandlungsbedarf in unterschiedlichstenBereichen des Unternehmens und dieDringlichkeit von Maßnahmen schnellerund kann so Prioritäten objektiver einschätzenund zielgerichteter agieren. Dasspart gerade in unübersichtlichen, komplexenSituationen enorm an Zeit undverringert bestehende Risiken fürs Unternehmensignifikant.Häufig wird unter anderem die Frage gestellt,ob das bestehende Management versagthat, wenn Interim Management zumEinsatz kommt. In den allermeisten Fällenlautet die Antwort tatsächlich: »Nein«,denn es geht um eine temporäre Unterstützungin absoluten Ausnahmesituationen,konkret also Situationen, die nur seltenvorkommen, weshalb die meistenEntscheider wenig bis gar nicht damitvertraut sind. Um es greifbarer zu machen:Sie gehen ja im Falle einer seltenen Erkrankungauch zum Spezialisten oder lassensich als Profi-Sportler von den Bestenzielgerichtet auf Wettkämpfe vorbereiten,obwohl Sie zur Spitze gehören. Genau dasist beim Interim Management auch derFall. Unternehmen holen sich für außergewöhnlicheHerausforderungen Expertenan Bord auf Zeit, die genau das x-fach gemeisterthaben und aus dem Stand echtenMehrwert fürs Unternehmen schaffen.Inwiefern sollten Mitarbeiter in die Planungund Umsetzung der Maßnahmeneingebunden werden – was sind dabeidie wichtigsten Dos and Don’ts?Das ist eine der zentralen Fragen, die inRestrukturierungsprozessen oft unterschätztwird – und genau hier scheiterndie meisten Transformationen. Die Vorstellung,dass Restrukturierung ein reinerManagement-Prozess ist, bei dem die Belegschaftnur »mitgezogen« werdenERFOLG magazin . Ausgabe 34 . www.erfolg-magazin.de5
Laden...
Laden...